E. Ursprung des Bratislavaer Appells zur Vereinigung aller Freimaurer
1. Geschichte: drei Etappen
2007 und 2008 führten die tschechischen und slowakischen Großlogen und Großoriente lange Diskussionen über die Natur ihrer Organisationen. Sie gründeten eine Forschungsgruppe, die ihre Rituale verglichen und dabei erstaunlicherweise festgestellten, dass es zwischen ihnen keine gravierenden Unterschiede gibt. Sie studierten ihre Praktiken und einigen ihren Mitgliedern schien es, dass sie ihre Orden einander als rechtsgültige Freimaurerorganisationen anerkennen könnten. Diese jungen Orden, die dank dem Fall der Berliner Mauer (1989) nach einem halben Jahrhundert der „Betäubung“, erzwungen durch die Feinde der Freimaurerei, entstanden sind, waren jedoch zu schwach und konnten diese Idee nicht verwirklichen. Die Mehrheit entschied, sich in eine gemeinsame Freimaurerorganisation unter der Schirmherrschaft der Vereinigten Großloge von England zu vereinen.
Ich nahm an diesen Gesprächen teil und erstellte dann schrittweise den ersten Entwurf der Konföderation. Am Anfang wurde nur Mitteleuropa einbezogen. Die slowakischen und tschechischen Brüder diskutierten viel darüber, anschließend schrieb ich das Konzept um, ergänzte es, übersetzte es ins Französische, dann erweiterte ich es wiederum dank ca. dreißig französischer, englischer und Schweizer Brüder und Schwestern. Diese Folge von Überlegungen war die Geburt des zweiten Konzepts des Projekts, das erneut diskutiert wurde, dann die Geburt der dritten und der vierten Version, die ich jetzt zur Diskussion vorlege.
2. Woher kommt der Name Bratislavaer Appell ?
Diese Frage wird in einem sehr unerwarteten Ausschnitt aus dem folgenden Roman beantwortet :
Ich wäre lieber allein geblieben. Leider hat Peter den "feuchten Raum" (salle humide) betreten und hat sich zwischen mich und Gilbert gesetzt.
Er ist ein Pariser aus dem Großorient, ursprünglich aus der Slowakei. Er ist einer der Maurer, die in Utopie leben. Théo nennt sie „unsere Teilchenbeschleuniger“. Je wahnsinniger ihre Träume, desto mehr Energie und Flügel verleiht ihnen ihre Leidenschaft. Peter möchte uns einen festlichen Appell unterzeichnen lassen, damit sich der Freimaurer-Universalismus in einer europäischen Freimaurer-Organisation verkörpert, die alle europäischen Orden einschließt, sogar die Orden der Kojoten. Gilbert lehnt es ab. Grundsätzlich. Er sagt, dass die Initiative dieses Projekts, die zu uns von einem Mitglied des Französischen Großorients kommt, zum Misserfolg verurteilt ist.
Ich habe ihm versprochen, es zu unterzeichnen, obwohl die Petition der Methode der Logen nicht entspricht, und habe vorgeschlagen, es „Bratislavaer Appell“ zu nennen. So würde das Konzept von anderswo herkommen, hauptsächlich aber nicht aus dem Französischen Großorient, weil alles, was wir in den letzten dreißig Jahren vorgeschlagen haben, gescheitert ist. In diesem Punkt stimme ich Gilbert zu.
Er lachte mich dafür deshalb gleich ordentlich aus. Soll ich der ehrwürdige Meister vom Stuhl einer kleinen Loge in der Provence werden, ja, bravo, das bejaht er, aber mich in große Angelegenheiten zwischen den Orden zu mischen, nicht doch. Jeder soll an seinem Platz bleiben! Ich sei dem nicht gewachsen. Er hat nicht gesagt, warum. Es war beleidigend und sogar sehr demütigend für Peter und auch für mich. Keine unserer Initiativen kann erfolgreich sein. Man müsste nach London zu Verhandlungen gehen und London würde antworten, dass wir gar nicht existierten.
Peter hat es überhaupt nicht beunruhigt. Er will und wird zwanzigtausend Unterschriften sammeln, versichert er uns. Mit den Unterschriften unserer Schwestern, natürlich. In jedem Fall mit meiner Unterschrift. Und wenn man ohne die Engländer auskommen muss, werden wir ohne sie auskommen. In diesem Moment hat Louis Jamet den feuchten Raum betreten und Gilbert hat es sehr überrascht. Aus seiner Sicht bin ich nicht auf dem Niveau von Louis Jamet, dem Universitätsprofessor. Was können wir also gemeinsam haben?
Peter hat sich sofort rücksichtsvoll zurückgezogen. Gilbert, er, hat rumgezappelt.
Ausschnitt aus dem „Freimaurer-Kriminalroman“ von Jean Verdun, dem ehemaligen Großmeister der Großen Französischen Loge: Der Fall Luberon, herausgegeben vom Luc Pire Verlag, Belgien, oder http://www.jeanverdun.com/luberon.htm Kapitel 12, Seite 209.
Ein Schock, dieser Absatz war für mich wirklich ein Schock. Die Idee für die Petition kommt von Jean Verdun, in dem Gespräch mit ihm ist mir überhaupt nicht eingefallen zu behaupten, dass ich 20.000 Unterschriften sammeln kann, und Jean hat mir seine Unterschrift nicht versprochen. Es hat mich aber begeistert, dass er dieses Projekt nicht vergaß und es in seinem Roman erwähnte. Natürlich bin ich sehr glücklich über die gute Meinung, die ich bei ihm bei unserem ersten und bisher einzigen Treffen erwecken konnte.
Wenn Jean Verdun, dieser große Freimaurer, meinen Vorschlag der Weltkonföderation von Freimaurerorden unterstützt,
wenn sich einige andere Persönlichkeiten
aus der Vereinigten Großloge von England (UGLE),
aus dem „rechtsgültigen“ Schweizer Orden ALPINA,
aus der Französischen Großloge (GLF),
aus dem Französischen Großorient (GODF),
aus der Französischen Frauen-Großloge (GLFF),
aus der Tschechischen Großloge (VLCR)
und einige weitere Brüder und Schwestern
positiv über diese Idee äußern, wird dieses Projekt von einem Glimmer der Hoffnung beleuchtet.
3. Lebenslauf des Autors des Bratislavaer Appells:
a) Weltliches CV
Geboren am 26.05.1940 in Bratislava, Slowakei, verheiratet, zwei Kinder.
Studien an der Theaterfakultät, Fachgebiet Geschichte und Theorie, Bratislava, Tschechoslowakei (1957-62).
Doktorarbeit über Stanislawskis Theorie der Schauspielkunst an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava (1963–68), später Studien der dritten Stufe über Politik und Kultur in der Sowjetunion am Institut der slawischen Studien, Sorbonne, Paris, Frankreich (1968–72).
Literarischer Rat und Veranstalter von Reisen zahlreicher Theaterensembles in Frankreich und im Ausland (1972–81, 1986–2008), Projekte und Studienarbeiten für Centre Pompidou, Paris (1979–80), französisches Kulturministerium (1980–81), slowakisches Außenministerium (1999–03) usw., Dramaturg mit Zuständigkeit für das Theaterprogramm im Kulturhaus in Rennes (1982–84), das Projekt des kulturellen Austausches mit der Slowakei im Rahmen der Kandidatur von Marseille für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2013 (2007–08). Marseille gewann den Wettbewerb und teilt sich den Titel mit der slowakischen Stadt Košice.
Kunstdirektor zahlreicher Theaterfestivals, vor allem Pantomime-Festivals sowie Festivals von Straßenkünstlern in Frankreich und anderswo (1976–2006), z. B. Gaukler in Köln/Rhein (1976), Mimen und Clowns auf dem Festival „in“ in Avignon (1977), Mimen und Clown, De Blauwe Zaal, Utrecht (1977), Paris – Barcelone – Modena (1982), Dehors / Dedans in Tours (1983–1986), Mimos in Périgueux (1987–2002), Paris - Fête du Forum (1989), Idéklic in Moirans en Montagne (1990–1994), Mimica No Acarte, Lisabonne (1990), Bratislava – Brno – Prag (1991), Teatro Europeo, in Torino (2003–2006).
Theaterkritiker in der Tschechoslowakei und in Frankreich (1960–82), Redakteur der Zeitung Gestes (1992–2002), die sich mit Bewegungstheater befasste.
Autor des Theaterstücks All´ der Quatsch über Frauen (Toutes ces âneries sur les femmes, www.aneries-sur-les-femmes.fr) in Zusammenarbeit mit Benoît Vitse (2010–11).
b) Freimaurer CV
Eingeweiht am 17.05.1991 in der Loge La Bonne Foi im Orient Saint Germain en Laye, Geselle seit 20.03.1992 und Meister seit 30.04.1993. Im Herbst 1995 befördert in die vierte Stufe des Alten und anerkannten schottischen Ritus in der Loge Europa, Orient Prag, danach zur 14. und 18. Stufe in Ennéade, Orient Saint Germain en Laye, derselbe Ritus. 1999 zum Ehrwürdigen Meister der Loge Humanismus gewählt. Er schreibt Beiträge für die Freimaurer-Zeitschriften G.O.D.F. (Französischer Großorient), Slobodomurar (Freimaurer, Slowakische Großloge, V.L.S.) u. a. Projekt der Konföderation, 2007–2011.
Zündung des Lichts der Freimaurerei in der Slowakei:
1992 hat mich Jacques Oréfice, Vertreter des Großmeisters von G.O.D.F. für ausländische Kontakte aufgefordert, unseren Brüdern in Prag in ihrem Bemühen um Erneuerung der Freimaurerei in der Tschechoslowakei zu helfen. In der Zeit hat sich die Tschechoslowakei gerade in zwei Staaten geteilt und so war ich bei der Erneuerung der Bewegung in der Slowakei schnell allein geblieben.
Es war nicht gerade einfach, das Licht der Freimaurerei in der Slowakei anzuzünden, nach einem halben Jahrhundert der Verleumdung und Verbote, zuerst durch das faschistische Regime, das im 2. Weltkrieg entstand, danach durch das stalinistische Regime, eine totalitäre Staatsordnung, und dazu fügte auch noch die katholische Kirche seine Handvoll von Vorurteilen hinzu. Alle Spuren der Freimaurer wurden gelöscht. Dabei hat die Freimaurerei fast zwei Jahrhunderte in dieser Region existiert.
Um sie wieder aufzubauen, musste ich zuerst
- das Misstrauen der Regierung und der Öffentlichkeit mindern, also Presskonferenzen veranstalten, Gespräche im Fernsehen, im Rundfunk und mit Zeitungen führen,
- öffentliche Diskussionen führen,
- persönliche Kontakte und Briefkorrespondenz mit ca. 200 Suchenden pflegen,
- Rituale übersetzen,
- Pläne zeichnen und bei einem Freund (Bühnendesigner) sehr schöne Gegenstände für die Ausstattung des Tempels herstellen lassen,
- eine ganze Bibliothek von Freimaurerliteratur in Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch, Russisch und Ungarisch für die Loge erwerben (Texte in Slowakisch und Tschechisch konnte man in dieser Zeit nicht finden),
- Herausgeber finden, die die Bücher über die Freimaurerei drucken würden, an erster Stelle klassischerweise die Freimaurer Symbolik von Jules Boucher, die 1998 auf Tschechisch erschienen, und Freimaurer – Erbauer des Lichts von Daniel Beresniak, 2002 auf Slowakisch erschienen,
- die Einbringung des Lichts in die ehrwürdige Loge Humanizmus (Humanismus) am 08.05.1993 unter der Schirmherrschaft von G.O.D.F. und in Anwesenheit der französischen, belgischen, österreichischen und tschechischen Delegationen vorbereiten und ausführen und am nächsten Tag die ersten vier slowakischen Brüder einweihen,
- Orte für unsere regelmäßigen rituellen Arbeiten suchen,
- die Loge in den ersten drei Jahren führen,
- helfen, sie danach am Leben zu halten,
- in Zusammenarbeit mit A.M. die Webseite www.humanizmus.sk erstellen und sie bis Frühling 2008 verwalten,
- Austauschreisen zwischen der Loge Humanismus und den Logen in Frankreich, Österreich und Ungarn organisieren.
2009 ist die Loge Humanismus aus dem Bund G.O.D.F. ausgestiegen, um sich unter der Schirmherrschaft von Vereinigte Großloge von England (UGLE) an der Gründung der Slowakischen Großloge beteiligen zu können.
(Ausführliche Geschichte wurde in La Chaîne d’Union, GODF, Paris, Nr. 18-19, veröffentlicht).
Meine Arbeitsauslastung in der Slowakei erklärt größtenteils, warum ich in meiner Mutterloge La Bonne Foi in Saint Germain en Laye nur eine gewählte Funktion bekleidete, und zwar die Funktion des Fachkundigen Bruders von 1999 bis 2001. 2008 wurde ich in die Nationale Kommission für Überlegungen über die nachhaltige Entwicklung gewählt.
c) Seine Nachdenken:
- Wozu dient die Freimaurerloge eigentlich?
=> Lesen und teilnehmen - Wort, Kunst und symbolisches Denken
=> Lesen und teilnehmen - Einweihung von Frauen und gemischte Orden
=> Lesen und teilnehmen - Initiationscharakter der Diskussion über die Gesellschaft
=> Lesen und teilnehmen